Wenn Übersetzungen von Werbetexten an kulturelle Grenzen stoßen

Was ist eigentlich eine Übersetzung? Auf den ersten Blick erscheint die Antwort auf diese Frage einfach. Ist sie jedoch nicht. Sie wird, je nachdem, wer gefragt wird, sehr unterschiedlich beantwortet werden. Eine gute Definition von „Übersetzung“ lautet: „… die Übertragung eines (meist schriftlich) fixierten Textes wortgetreu von einer Ausgangssprache in eine Zielsprache“ (Wikipedia)

Aber was ist eine „wortgetreue Übertragung“? „Wortgetreu“ bedeutet nicht „wortwörtlich“. „Wortgetreu“ bedeutet, dass Grammatik und Satzbau der Zielsprache angepasst werden, und dass das am besten passende Vokabular verwendet wird. Dies kann zur Folge haben, dass es mehrere wortgetreue Übersetzungen gibt, die unterschiedliche Synonyme verwenden, dennoch alle korrekt sind. Im Gegensatz hierzu ist eine „wortwörtliche“ Übersetzung ein einfaches Aneinanderreihen der zu übersetzenden Wörter, ohne diese der Grammatik oder dem Satzbau der Zielsprache anzupassen. Wortwörtliche Übersetzungen machen meist keinen Sinn, können aber – größtenteils ungewollt – sehr lustig sein.

Was eine Übersetzung nicht kann, was auch nicht Zweck einer Übersetzung sein darf, ist die Bearbeitung des zu übersetzenden Textes. Eine Übersetzung ist immer eine Wiedergabe, sie darf keine Änderungen, Bearbeitungen oder gar Interpretationen beinhalten. Genau an diesem Punkt entstehen oft Schwierigkeiten zwischen den Erwartungen an eine Übersetzung und dem, was diese Leistung letztendlich bieten kann.

Im Folgenden werden Fallbeispiele skizziert, in denen kulturelle Gegebenheiten einer Sprache oder eines Landes die Leistungsgrenzen einer Übersetzung markieren:

Fall 1: Werbetexte für ausländische Märkte

Marketing und Werbung sind grundsätzlich sehr stark von den jeweiligen sprachlichen und kulturellen Gegebenheiten eines Landes bzw. einer Region geprägt. Das ist oft sogar eine bewusste Entscheidung, um einen bestimmten Interessentenkreis anzusprechen.

Ein anschauliches Beispiel für stark regional geprägte Werbung bietet die Werbetafel des Autovermieters Sixt am Köln-Bonner Flughafen. Dort begrüßt das „Kölsche Grundgesetz“ die ankommenden Fluggäste. Diese Werbung passt dort sehr gut, wäre aber schwierig am Münchner Flughafen unterzubringen. Wenn Marketing schon im gleichen Land, mit derselben Sprache, so kompliziert sein kann, werden die Herausforderungen einer Übersetzung in eine andere Sprache schnell deutlich. Dies lässt sich am Beispiel der Sixt-Werbung ebenfalls gut darstellen:

Kölscher Originaltext: „Et kütt wie et kütt“
Hochdeutsch: „Es kommt wie es kommt“
Englisch (sinngemäß): „What will be will be“

Wenn also Sixt diese Werbung ins Englische übersetzen ließe, dann wäre deren Aussage nicht nur eine ganz andere, sie würde auch ihre Wirkung verfehlen. Die Wirksamkeit des „Kölschen Grundgesetzes“ ist vom Kölsche Dialekt abhängig.

Es ist zwar für einen guten Übersetzer nicht schwierig, Werbe- oder Marketingtexte in eine andere Sprache zu übersetzen, auch mit Berücksichtigung idiomatischer Redewendungen. Es ist aber beinahe unmöglich, den im Originaltext, besonders in Slogans, meist enthaltenen, hintergründigen Sinn, in der Zielsprache adäquat wiederzuspiegeln. Kontextgebundene Wortspiele lassen sich selten wirklich gut übersetzen. Oft fehlt ein passendes Pendant in der Zielsprache, subtile Botschaften gehen verloren.

Um den gewünschten Effekt in der Zielsprache zu erzielen, ist eine Übersetzung des Originaltextes daher meist nicht ausreichend. Hier stößt eine Übersetzung oft an ihre Grenzen. Sie kann sprachlich absolut richtig sein, Nuancen berücksichtigen, und doch das vom Auftraggeber tatsächlich gewünschte Resultat nicht erbringen. Wenn ein Werbetext übersetzt wurde, dann sollte in jedem Fall eine fachkundige Werbe- bzw. Marketingkraft aus der Zielregion bzw. Sprache diesen Text durchgehen und möglicherweise überarbeiten.

Gerade im Bereich Marketing und Werbung sollte daher überlegt werden, ob es nicht effektiver ist, die Konzepte (Texte und Bilder) für das jeweilige Zielpublikum von entsprechenden Fachleuten in der Zielsprache komplett neu erstellen zu lassen. Dies kann manchmal eine effektivere Lösung als eine Übersetzung sein. Trotzdem bietet eine gute Übersetzung häufig eine solide Grundlage, um Texte für bestimmte Sprach- und Kulturkreise zu erarbeiten, anzupassen und weiterzuentwickeln.

Fall 2: Webseiten für ausländische Märkte

Viele Unternehmen präsentieren sich mit Webseiten in verschiedenen Sprachen. Dazu lassen sie ihre Webseite übersetzen. Ob die Übersetzung die beste Lösung ist, das Unternehmen in einer anderen Sprache zu präsentieren, hängt vom Aufbau und den Inhalten der Webseite ab. Eine Übersetzung kann absolut das geeignete Mittel sein, gegebenenfalls ist es jedoch empfehlenswert, die Inhalte für den anvisierten Sprach- und Kulturkreis neu zu entwickeln.

Wenn eine Webseite eher faktisch aufgebaut ist und auf Slogans oder ähnliches verzichtet, dann kann eine Übersetzung durchaus den gewünschten Zweck erfüllen. Ein Beispiel hierfür sind Webseiten, die sehr technisch orientiert sind, z.B. mit dem Schwerpunkt auf bestimmten Produktmerkmalen. Hier oft übersehen, doch absolut wichtig: Wenn technische Beschreibungen auf der Webseite angeboten werden (meist als PDF-Datei zum Download), sollten diese ebenfalls in die jeweilige Zielsprache übersetzt werden! Gleiches gilt für Ton- oder Videomaterial. Ein deutschsprachiges Firmen- oder Produktvideo auf der englischen, französischen oder italienischen Webseite ist nicht empfehlenswert.

Bei Webseiten, die stark auf Texte setzen und dabei Slogans, Wortspiele oder Idiomatik verwenden, ist hingegen Vorsicht geboten. Solche Texte verlieren nach einer Übersetzung in der anderen Sprache oft ihre Wirksamkeit. Werbeschlagwörter lassen sich nur bedingt werbewirksam übersetzen. Hier ist es empfehlenswert, die Texte nach der Übersetzung von Marketing-Experten überprüfen und überarbeiten zu lassen. Diese Fachleute sollten allerdings aus dem jeweils angestrebten Sprach- und Kulturkreis stammen. Abhängig von der Sachlage ist hier eine Neukonzeption für die angestrebte Zielgruppe möglicherweise der bessere Weg.

Fall 3: Kulturelle Nuancen in Produktnamen

In Deutschland „Orchideen-Dünger“, in Nordamerika „Orchid Food“. Hier ist ein wichtiger kultureller Unterschied bereits werbewirksam im Namen des Produktes enthalten: In Nordamerika düngt man Pflanzen nicht einfach, man hegt sie, man ernährt sie, man „füttert“ sie. Würde man diese Produktbezeichnung wortgetreu als „Orchideen-Nahrung“ bzw. „Orchideen-Futter“ ins Deutsche übersetzen, wäre die gesamte unterschwellige Botschaft des Names weg. Gleichermaßen wäre eine Übersetzung als „Orchideen-Dünger“ genauso unbefriedigend, enthält sie doch keine Botschaft, die auch nur annährend mit der Originalbezeichnung vergleichbar ist.

Bei den Frühstücksflocken „SEXCEREAL“ muss der Name zwar nicht übersetzt werden – das versteht man auch in Deutschland –, aber die Botschaft ist im Ursprungsland Kanada wieder eine ganz andere als in Deutschland. Kanada ist zwar nicht ganz so prüde wie die USA, aber der Umgang mit Sexualität ist dennoch wesentlich zurückhaltender als in Deutschland. Werbung, die mit Sexualität spielt, ist viel unterschwelliger und subtiler. Daher ist der Name „SEXCEREAL“ auch viel durchschlagender, weil er in diesem Kulturkreis doch als leicht unsittlich wahrgenommen wird. Der Name arbeitet bewusst mit einem gewissen Schockeffekt. Diese Wirkung wäre in Deutschland so nicht erzielbar. Eine Anpassung der Werbung und des Names wäre daher für eine Vermarktung in Deutschland ratsam. Eine reine Übersetzung als Mittel zum Zweck wäre hier nicht empfehlenswert.

In Sarasota, Florida, heißt eine Privatschule „Achievement Center“, zu Deutsch: „Leistungscenter“ oder „Erfolgscenter“. Für nordamerikanische Menschen ist die Assoziation klar: Der Unterricht dort führt zu gesteigerter Leistung, sprich zum Erfolg. Das Wort „Achievement“ wird in solchen Kontexten häufig verwendet. Eine einfache Übersetzung des Namens ins Deutsche würde in Deutschland keine vergleichbare gedankliche Verknüpfung hervorrufen.

Fall 4: Nicht übersetzbare Begriffe

Manche Begriffe lassen sich nicht übersetzen. Jedenfalls nicht mit einem Wort. Das verkompliziert die Arbeit des Übersetzens, es bleibt keine andere Alternative, als auf eine längere Wortkombination auszuweichen, die den nicht übersetzbaren Begriff umschreibt.

Zum Beispiel das deutsche Wort „Kreislauf“. Ja, es gibt das englische Wort „circulation“, dessen Bedeutung auch „Kreislauf“ ist, ABER, wenn „Kreislauf“ als Bezeichnung einer bestimmten Kombination von medizinischen bzw. körperlichen Symptomen benutzt wird, passt „circulation“ in keinster Weise als Übersetzung. Der deutsche Satz „Sie hatte Kreislaufprobleme“ ist nicht problemlos mit „She had circulation problems“ übersetzbar. Vielmehr ist hier eine Umschreibung notwendig, welche die Symptome von „Kreislauf“ erläutert, z.B.: „She had problems with dizziness, nausea, breaking into a sweat and fainting.“

Das englische Wort „mind“ ist ebenfalls ein solcher Fall. „He had a beautiful mind“ würde wahrscheinlich als „Er hatte einen wunderschönen Geist“ übersetzt werden. Dies würde jedoch die wirkliche Bedeutung von „mind“ nicht ädaquat wiederspiegeln. Denn das Wort bedeutet vielmehr eine Mischung aus Begriffen, wie „Geist“, „Seele“, „Sinn“, „Verstand“, „Gemüt“. Auch das französische „ésprit“ teilt dieses Schicksal. Ist es doch ebenfalls eine Mischung aus vielen Begriffen, die seine wirkliche Bedeutung nur annährend wiedergeben.

Gute Übersetzer sind hochqualifizierte Fachkräfte. Sie sind meist Spezialisten für bestimmte Sprachbereiche und Fachgebiete. Ihre Arbeit als Übersetzer beinhaltet die wortgetreue Übertragung eines Textes von einer Ausgangssprache in eine Zielsprache. Es ist nicht Teil ihres Aufgabenbereichs, Texte zu bearbeiten, zu interpretieren oder sie zu ändern. Die Funktion des Übersetzens beinhaltet keine Neukonzeption von Werbetexten für eine andere Zielgruppe. Übersetzungen können kulturelle Nuancen und idiomatische Wortspiele nur bedingt wiedergeben – und dies auch nur, wenn die Zielsprache über ein entsprechendes Pendant verfügt. Wenn Texte bearbeitet, angepasst oder interpretiert werden sollen, sind Übersetzer und Übersetzungen kein Ersatz für entsprechende Experten.

Autorin: Patricia Hinsen-RindDie gebürtige Kanadierin hat ihre eigenen Erfahrungen mit dem Lernen von Sprachen in ihre zweite Karriere fließen lassen: Nachdem sie verschiedene Führungspositionen in der Finanz- und IT-Industrie bekleidete, leitet sie heute ihre eigene Sprachschule, die den Spracherwerb mit dem Eintauchen in die neue Kultur verknüpft.“

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