Vetternwirtschaft oder kulturell geprägtes Beziehungsgeflecht?
Im internationalen Business werden Sie vielleicht mit Geschäftskulturen konfrontiert, in denen Vetternwirtschaft und Korruption zum beruflichen Alltag gehören. Während Bestechung von den meisten negativ gesehen wird, ist die Vorteilsgewährung oft kulturell geprägt und Teil des gesellschaftlichen Systems. Denn in diesen Kulturen steht der Mensch und nicht die Sache im Vordergrund, sodass eine gute Beziehungsebene zwischen Geschäftspartnern die wichtigste Voraussetzung für eine potenzielle Zusammenarbeit bildet.
Daher spielen persönliche Kontakte und aktive Netzwerke für den Geschäftserfolg immer die alles entscheidende Rolle: Geschäfte macht man hier nur mit Freunden und Vertrauten, nicht mit Fremden – und sei das angebotene Produkt auch noch so gut oder der gebotene Preis auch noch so attraktiv.
Bevorzugte Behandlung erwünscht
Einem befreundeten Geschäftspartner einen lukrativen Auftrag zuzuspielen oder nur mit Personen aus dem eigenen Netzwerk zusammenzuarbeiten, wird daher kaum als verwerflich gesehen. Darüber hinaus dienen private Einladungen und teure Geschenke dem Aufbau einer stabileren, tragfähigeren persönlichen Beziehung zu einem Geschäftspartner, auch daran wird Ihr lokaler Geschäftspartner keinen Anstoß nehmen. Die Grenzen zwischen einem funktionierenden Beziehungsnetzwerk und einer den Markt schädigenden Vetternwirtschaft sind fließend.
Die Grenzen ausloten
Als Ausländer sind Sie in diesen Geschäftskulturen auf gute erste Kontakte angewiesen, um im Markt überhaupt Fuß fassen zu können. Schutz vor dem Vorwurf der Vorteilsnahme gibt hingegen nur die Wahrung der eigenen Unabhängigkeit gegenüber Dritten. Es gilt daher vor allem, kritische Situationen von vorneherein als solche zu identifizieren und vorauszusehen. Ein gutes Know-how, das etwa lokale Berater oder erfahrene Kollegen vor Ort bieten können, hilft dabei, möglichst viel über die lokale Geschäftspraxis zu erfahren und bestimmte Situationen und Gespräche kulturell richtig einzuordnen.
Natürlich möchten Sie Ihre neuen Geschäftspartner nicht gleich vor den Kopf stoßen, indem Sie jeden Wunsch verwehren, Gastgeschenke nicht annehmen und Einladungen ablehnen. Parallel dazu sollten Sie von Ihrem Unternehmen in Deutschland klare Verhaltensvorgaben einfordern. Nur Transparenz darüber, was einerseits in der lokalen Geschäftskultur üblich ist und was andererseits Ihr Heimatunternehmen erwartet, verhindert, dass Sie am Ende zwischen allen Stühlen sitzen. Stellen Sie sicher, dass die deutsche Unternehmensführung bereit ist, die geschäftlichen Konsequenzen zu akzeptieren, wenn Sie nach deutschen Standards „sauber“ bleiben. So kann es beispielsweise zu deutlichen zeitlichen Verzögerungen im Projektablauf kommen oder ein Geschäft wird gar nicht erfüllt werden.
Bestechungsgelder nicht zahlen
Nicht gerne gesehen, aber doch in vielen Ländern zu einem gewissen Grad gesellschaftlich akzeptiert ist die alltägliche Korruption, beispielsweise auf einer Behörde. So versuchen Beamte gerne durch ein betont langsames Vorgehen ein „Beschleunigungsgeld“ zu provozieren. Auch hier besteht das gesellschaftliche Denken: Wenn du dich gefällig zeigst, tue ich dir einen Gefallen und es geht uns beiden gut.
Da aber auch in diesen Ländern Korruption eine Straftat ist, sollten Sie ohne diese Zahlungen auskommen. Geben Sie sich am besten völlig unbeeindruckt. Machen Sie es sich in der Behörde demonstrativ mit einer Thermoskanne Tee gemütlich, zeigen Sie sich kooperativ, freundlich und mit allem einverstanden. Tun Sie etwas für die gute Beziehung zu den Beamten durch nette Bemerkungen und ein freundliches Verhalten. Lesen Sie entspannt Zeitung, während die Beamten Ihr Formular prüfen und prüfen und prüfen. Da sich die Beamten letztlich ein schnelles Schmiergeld erhoffen, werden Sie bald aufgeben und sich ein leichteres Opfer suchen. Gelingt Ihnen das Aussitzen der Situation nicht, sollten Sie zumindest auf eine korrekt ausgefüllte Quittungen für geforderte Gebühren bestehen, bevor Sie zahlen. So schützen Sie sich vor Bestechungsvorwürfen und machen es den Beamten gleichzeitig schwer, das Geld in die eigene Tasche zu stecken. Je nach Frequenz, mit der Sie mit der Behörde in Berührung kommen, profitieren Sie vielleicht bald von dem Ruf, dass bei Ihnen nichts zu holen ist.
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.
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