Gutes Essen genießen in Frankreich nicht nur Touristen. Auch deutsche Geschäftsleute dürfen während ihrer Besuche in französischen Unternehmen ausreichend schlemmen – und machen so das Beste aus ihrer Zeit vor Ort. Denn in Frankreich ist die Konversation mit potenziellen Geschäftspartnern während eines ausgiebigen Mittagessens der Einstieg in die nachfolgenden Verhandlungen. Nur, wenn die französische Seite die neuen Geschäftspartner ausreichend sympathisch findet, ist sie zur Zusammenarbeit überhaupt bereit.
Aufbau eines stabilen Kontakts
Während Deutsche im Arbeitsleben sehr stark auf der Sachebene operieren, dominiert in der französischen Geschäftskultur die Beziehungsebene. Für den Aufbau eines stabilen geschäftlichen Kontaktes muss dort zunächst Verbundenheit hergestellt werden. Dazu ist ein intensiver Austausch notwendig. Im Gegensatz zu den anglosächsischen Kulturen reicht den Franzosen dazu kein einfacher Small-Talk: Sie möchten sich intensiv austauschen und ihre potenziellen Partner auf Herz und Niere prüfen.
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In Meetings laden Franzosen ihre Gäste gerne zum gemeinsamen Brain-Storming ein. Sprechen sie von einem umfassenden Konzept, ist damit meist nur ein grober Rahmen gemeint: Während Deutsche eine detaillierte Projektskizze erarbeiten, wollen Franzosen lediglich eine Idee in die große Runde werfen, an der dann gemeinsam gefeilt werden kann. Die genaue Planung der Deutschen wird daher negativ und als wenig inspirierend empfunden. Die französische Seite mag durchaus glauben, man wolle ihnen etwas aufzwingen und jegliche Mitsprache unterbinden. Die Deutschen reagieren vor allem ratlos, wenn sie in fortgeschrittenen Kooperationen nur grobe Ideen unterbreitet bekommen. Die Einladung zum gemeinsamen Denken und Entwickeln übersehen sie sehr schnell.
Im Vergleich zum deutschen Kommunikationsstil, der auf direkten, klaren, verbalen Aussagen basiert, ist der französische Redestil eher implizit, d.h. die Informationen sind in einer Nachricht zwar enthalten, aber nicht unbedingt in den ausgesprochenen Worten zu finden. Franzosen machen gerne viele Andeutungen und streuen Informationen. Der Zuhörer muss daher den gesamten Kontext, die Körpersprache und bisherige Informationen als Interpretationshilfen heranziehen, um das Gesagte richtig zu verstehen. Insgesamt gilt in der französischen Kultur die Informationsholschuld, damit ist gemeint, dass der, der auf Informationen wartet, nicht automatisch benachrichtigt wird, sondern sich selbst durch regelmäßiges Nachfragen darum bemühen muss.
Verhandlungen mit debattierfreudigen Franzosen
Auch wenn es in Anbetracht der starken Beziehungsorientierung überraschen mag, sind Franzosen in Verhandlungen nicht konsensorientiert. Im Gegenteil. Ihr Verhandlungsstil basiert häufig auf dem bewussten Herausstellen unterschiedlicher Meinungen. Es entstehen lebhafte Diskussionen, in denen Gegensätzlichkeiten stets unterstrichen, die Beziehungsebene dennoch gepflegt werden muss. Selbst wenn die Fakten auf dem Tisch liegen, wird alles gerne noch einmal durchdiskutiert. Diese Debattierfreudigkeit wird jedoch mit neuen Geschäftspartnern erst dann ausgelebt, wenn man weiß, dass die Beziehungsebene tragfähig genug ist. Haben Deutsche also die ersten Phasen der Verhandlungen in Frankreich friedlich über die Runden gebracht, sollten sie sich auf nachfolgende Stürme einstellen.
Trotz aller geführten Debatten während der gemeinsamen Meetings und Treffen liegt die Entscheidungsmacht in französischen Unternehmen ausschließlich in der Hierarchiespitze. Entscheidungen werden meist hinter geschlossenen Türen getroffen. Der Entscheidungsprozess kann für das deutsche Zeitempfinden recht lange dauern.
Französische Geschäftspartner sind für Deutsche – trotz der geografischen Nähe der beiden Länder – nicht immer einfach zu verstehen. Einerseits sind sie stark beziehungsorientiert, andererseits echte Individualisten. Obwohl sie einen indirekten Kommunikationsstil verwenden, können sie am Verhandlungstisch in recht harscher Weise ihre Ablehnung kund tun. Und während es in den französischen Unternehmen steile Hierarchien mit klar definierten Befehlsgewalten gibt, sind doch die unsichtbaren informellen Beziehungen dominierend. Für gradlinig denkende Deutsche bietet die französische Geschäftskultur daher eine nicht einfach Kombination kultureller Merkmale.
Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.
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