Kulturelle Unterschiede Argentinien

So hilft es wenig, eine erste Anfrage an ein argentinisches Unternehmen einfach per E-Mail zu schicken. Diese Vorgehensweise wird als kalt, anonym und vor allem als wenig vertrauensbildend empfunden und führt daher kaum zum gewünschten Erfolg. Stattdessen werden neue Kontakte immer über die Beziehungsschiene hergestellt. Ein Mittelsmann muss eingeschaltet werden, der für die Geschäftsanbahnung sein persönliches Netzwerk zur Verfügung stellt.

Wer noch gar keine eigenen Kontakte in Argentinien besitzt, kann auf einen brancheninternen enchufado setzen. Dabei handelt es sich häufig um Anwälte oder Berater, die sich auf die Kontaktanbahnung spezialisiert haben und zwischen den Parteien das nötige Vertrauen aufbauen.

Ohne persönliche Beziehung kein Geschäft

Die persönliche Ebene ist aber auch wichtig, wenn es gilt, mit den neu gewonnenen Kontakten gemeinsame Projekte anzustoßen. Vor allem Small Talk ist ein niemals zu unterschätzender Türöffner. Dabei sollten Sie viel Lob aussprechen. Konzentrieren Sie sich ausschließlich auf positive Themen, ernten Sie automatisch Sympathie. Eine sachliche oder gar emotionale Diskussion zu kritischen Themen ist keinesfalls Small Talk tauglich!

Fallen Sie bei Treffen oder Besprechungen niemals mit der Tür ins Haus, sondern nehmen Sie sich ausreichend Zeit, Ihre neuen argentinischen Geschäftspartner auch als Menschen kennenzulernen. Gleichermaßen wird von Ihnen eine gewisse Offenheit erwartet, sodass man Sie als potenziellen Geschäftspartner auf Herz und Niere prüfen kann. Es ist wichtig, eine Win-Win-Situation anzustreben, die auf Langfristigkeit angelegt ist und von der guten gegenseitigen persönlichen Beziehung profitiert. Denken Sie immer daran, dass Geschäfte in Argentinien nur gut funktionieren, wenn die persönliche Beziehungsebene stimmig ist. Eine rein sachliche, produkt- oder projektorientierte Zusammenarbeit ist selten möglich.

Im Kontakt mit argentinischen Unternehmen kann es daher ein großer Fehler sein, Ansprechpartner zu häufig auszutauschen. Nicht selten bezieht sich die Loyalität der argentinischen Seite nicht auf die deutsche Firma allgemein, sondern persönlich auf den deutschen Geschäftspartner. Und wechselt dieser einmal zu einem Konkurrenzunternehmen, wird der argentinische Kunde oder Projektpartner einfach mitgehen. Die Person zählt dann mehr als das Produkt oder das Projekt.

Bleibt die Geschäftsverbindung zwischen den Unternehmen trotz der widrigen Umstände bestehen, heißt dies jedoch für den neuen Ansprechpartner auf deutscher Seite, nochmal ganz von vorne anzufangen, um das Vertrauen der Argentinier wieder aufzubauen. Er wird kaum von dem guten Standing seines Vorgängers profitieren können.

Vor argentinischen Zuhörern präsentieren

Und so ist es in Argentinien von besonderer Wichtigkeit, immer einen guten Gesamteindruck zu machen, z.B. bei einer Unternehmens- oder Produktpräsentation. Ihr Unternehmen, Ihre Projektidee oder Ihr Produkt sind direkt mit Ihrer Person verbunden. Man möchte etwas über Sie erfahren, die Sache spricht niemals für sich selbst. Versuchen Sie also nicht, durch Zahlen und Fakten zu überzeugen, sondern sammeln Sie vor allem Sympathiepunkte.

Geduldiges Warten auf Entscheidungen

Steht die Entscheidung für oder gegen Ihren Geschäftsvorschlag an, ist Geduld gefragt. Denn die Entscheidungsbefugnis liegt in Argentinien beim oberen Management, das auf entscheidungsbezogene Vorschläge der unteren Ebenen wartet. Die Sache zu beschleunigen, indem man auf den argentinischen Geschäftspartner Druck ausübt, führt selten zum Ziel. Aggressive Verhandlungsstrategien oder Verkaufstaktiken ziehen meist den Abbruch der Beziehungen nach sich. Argentinier würden dies als persönliche Attacke empfinden.

Besser ist es, von Anfang an ausreichend Zeit einzuplanen und davon auszugehen, dass für eine Entscheidung mehrere persönliche Treffen und Besprechungen notwendig sind, die auch dazu genutzt werden müssen, etwas für die Beziehungsebene zu tun. Denn in jedem Meeting mit Argentiniern wird viel Zeit auf die Pflege des persönlichen Kontaktes gelegt, indem auch einmal private Themen zur Sprache kommen.

Auch haben Argentinier generell eine polychrone Arbeitsweise. Viele Dinge werden gleichzeitig erledigt. Man sitzt im Meeting, unterschreibt, was die Sekretärin hereinbringt, und nimmt Gespräche auf dem Handy an – auch wenn es sich dabei nicht unbedingt um ein dringendes Anliegen handelt. So viel Zeit muss sein. Oft kommen die wirklich wichtigen Dinge auch gar nicht im Meeting selbst zur Sprache, sondern erst im Anschluss bei einem gemeinsamen Kaffee. Bringen Sie also auch nach dem Meeting genug Zeit mit. Das kann für die Entscheidungsfindung Ihrer Partner wichtiger sein als die Zahlen und Fakten, die Sie ihnen vorlegen.


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Ohne das Wort „Nein“ auskommen

Daneben gilt es, in Gesprächen mit Argentiniern auch zwischen den Zeilen zu lesen. Eine ablehnende Haltung wird häufig nicht direkt kommuniziert, sondern nur indirekt vermittelt. Ein zustimmendes „Sí“ ist nicht wörtlich zu nehmen wie ein deutsches „Ja“, oft heißt es nur, dass man Ihnen zuhört. Auch Höflichkeit spielt oft eine Rolle, man möchte den neuen ausländischen Geschäftspartner nicht gleich mit einer ablehnenden Haltung konfrontieren. Achten Sie darauf, dass Sie die Töne für ein indirektes „Nein“ nicht überhören. Finden Sie die Aussagen Ihrer argentinischen Partner zweideutig oder verwirrend, überlegen Sie, ob man vielleicht gerade versucht, Ihnen auf eine möglichst diplomatische Art und Weise eine schlechte Nachricht  zu übermitteln?

Mit Expressivität und Emotionalität umgehen

Abgesehen davon unterscheidet sich der argentinische Kommunikationsstil vom deutschen vor allem durch eine starke emotionale Expressivität. Es wird viel und laut geredet, Emotionen werden nicht versteckt. Den anderen zu unterbrechen und sich wie in einem Pingpongspiel schnell gegenseitig ins Wort zu fallen, wird als Interesse am Gesprächsthema und nicht etwa als Unhöflichkeit angesehen.

Deutsche verpassen hier oft ihren „Einsatz“, da sie nicht schnell genug einhaken und vom argentinischen Sprechtempo überrollt werden. Nicht nur, dass Sie nicht zu Wort kommen. Ihre argentinischen Gesprächspartner werden bei Ihnen ein generelles Desinteresse vermuten, was die so essenzielle Beziehungsebene schnell gefährdet. Stürzen Sie sich also ins kommunikative Getümmel.

Auch Körperkontakt ist in der Kommunikation mit Argentiniern wichtig. Man steht bei der Begrüßung dicht zusammen, steckt am Konferenztisch die Köpfe zusammen. Versuchen Sie, nicht automatisch zurückzuweichen, denn dies wirkt abweisend. Schulterklopfen, Umarmungen und ein intensiver Blickkontakt sind wichtige non-verbale Ausdrucksweisen, die für gegenseitiges Vertrauen und Wertschätzung stehen.

Entspannte Zusammenarbeit

Läuft die Zusammenarbeit, ist der Umgang miteinander entspannt. Argentinier zeigen sich flexibel und unkompliziert. Im Gegenzug erwarten sie auch von ihren deutschen Geschäftspartnern viele Zeichen des guten Willens, insbesondere, wenn mal etwas schiefgeht. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn in einer gemeinsamen Geschäftsbeziehung steht für Argentinier das persönliche Verhältnis an erster Stelle. Daher werden Probleme und Schwierigkeiten gemeinsam gelöst – durch Flexibilität und Einfallsreichtum. Sich gegenseitig zu kritisieren oder einen Schuldigen auszumachen, würde nur die gute Beziehung gefährden. Und das ist die Sache niemals wert. In erster Linie streben Argentinier danach, Harmonie und Sympathie zu bewahren. Schreiben Sie sich das ebenfalls auf die Fahne!

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage. Frau Koll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.


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