Kulturelle Einflüsse bei der Arbeitsplatzgestaltung

In asiatischen Ländern begegnen Europäer in der Regel einem völlig anderen Raumverständnis. Während in Deutschland vielen Mitarbeitern relativ großzügige Arbeitsplätze mit Raum für Privatsphäre zur Verfügung stehen, arbeiten indische Angestellte dicht an dicht – und tolerieren das auch. Der Geräuschpegel, typische Gerüche und Einrichtungsgegenstände unterscheiden sich ebenfalls erheblich in den Kulturen. Internationale Unternehmen haben zwar oft Arbeitsplatzstandards, dennoch scheint die Raumorganisation in den verschiedenen Standorten meist ungeschriebenen Gesetzen zu folgen, die schwer zu greifen sind. Der für seine Studien über die Beziehung zwischen Menschen und ihre Umgebung bekannt gewordene Anthropologe Edward T. Hall beobachtete dazu: „Die Kultur verbirgt viel mehr als sie enthüllt, und was sie verbirgt, verbirgt sie seltsamerweise am effektivsten gerade vor denen, die Teil dieser Kultur sind.“ Diese Beobachtung lässt annehmen, dass bei der Untersuchung verschiedener Raumkonzepte bestimmte kulturspezifische Faktoren zu berücksichtigen sind. Die lokale Kultur und die globale Ausrichtung eines Unternehmens müssen in Einklang gebracht werden. So lautet ein Ergebnis einer aktuellen Forschungsarbeit von Steelcase. Für die Studie „Der Culture Code“ untersuchte das unternehmenseigene Forschungsteam Steelcase WorkSpace Futures mehr als 100 Arbeitsplätze in elf Ländern und beobachtete dabei den Einfluss der jeweiligen Kulturen auf die Arbeitsumgebung.

Der Einfluss einer Kultur auf den Arbeitsbereich – Ein Ländervergleich:

Im „Culture Code“ vergleicht Steelcase die Arbeitskulturen folgender Länder: China, Indien, Marokko, Russland, Frankreich, Italien, Spanien, Deutschland, Großbritannien, Niederlande und USA. Welchen Einfluss die unterschiedlichen Auffassungen einer Kultur von Hierarchie, Zusammenarbeit und weiteren Faktoren auf die jeweiligen Raumkonzepte haben, zeigen die folgenden Erkenntnisse der Studie in Ländergruppen zusammengefasst.

Deutschland, Großbritannien, Niederlande, USA: Die Innovationsfreudigen

Eigenständigkeit und Eigenverantwortung sind in diesen Kulturen selbstverständlich. Die Steelcase-Experten stellten fest, dass der Individualismus in diesen vier Ländern am stärksten ausgeprägt ist. Die Mitarbeiter akzeptieren zum Beispiel keine dichte Arbeitsumgebung. Vor allem die Deutschen legen Wert auf die Einhaltung ihrer Privatsphäre und bevorzugen persönlich zugeordnete Arbeitsplätze, mit akustischen und visuellen Raumabtrennungen. Trotz dieser Einschränkungen gelten die vier Kulturen als aufgeschlossen gegenüber neuen Raumkonzepten. Außerdem nutzen sie Arbeitsplätze zunehmend gleichberechtigt. In den Niederlanden arbeiten zum Beispiel Manager oft neben Angestellten, da die Hierarchien in diesem Kulturkreis sehr flach sind. Auch flexible Arbeitsmodelle sind in diesen Ländern verbreitet. Vor allem Großbritannien, die USA und die Niederlande setzen innovative Arbeitsweisen wie Hotelling, Desksharing, Co-Working Spaces und Homeoffice bereits erfolgreich ein.

Frankreich, Italien, Spanien: Die Individualisten

Das Bedürfnis nach viel Platz liegt in der Natur dieser drei Länder. Ihre jeweilige Kommunikation ist geprägt von einer raumgreifenden Gestik und temperamentvollem Sprechen. Dieses Bedürfnis spiegelt sich auch in der Arbeitsumgebung wider. Arbeitsplätze dicht an dicht werden kaum akzeptiert. Franzosen, Spanier und Italiener sind beruflich gesehen Individualisten, arbeiten am liebsten im Büro und zunächst gern allein. Vor allem Franzosen schätzen ein hohes Maß an Freiheit und Autonomie, berichten die Forscher des Steelcase WorkSpace Futures Teams. Auf der anderen Seite beweisen diese Kulturen eine hohe Flexibilität bei der Zuordnung der Räume, das bedeutet Führungskräfte sind meist zentral platziert – auch um ihre Mitarbeiter im Blick zu haben. Solange ihre persönlichen und räumlichen Grenzen respektiert werden, können Mitarbeiter dieser Kulturen auch mit der Reduzierung von Büroflächen gut umgehen. Alle drei Länder haben mit steigenden Immobilienpreisen zu kämpfen, was auch dazu führt, das Unternehmen immer öfter alternative Arbeitsweisen einführen, zum Beispiel das Arbeiten von Zuhause oder an sogenannten „Third Places“ (Den Begriff „Third Places” prägte Ray Oldenburg in seinem Buch: “The Great Good Place”.)

China, Indien, Marokko, Russland: Die Zielorientierten

Diese vier Länder vereint vor allem eine autokratische Kultur. Führungskräfte sollen einen sympathischen, aber seriösen und bestimmenden Eindruck vermitteln. Besonders in China ist man sehr darauf bedacht, „das Gesicht zu wahren“. In Indien zeigen fest zugeordnete Arbeitsplätze, welche Rolle der Einzelne im Unternehmen spielt. Manager arbeiten in diesen Kulturen deshalb bevorzugt in abgeschlossenen Büros, die deren Autorität widerspiegeln. Grundsätzlich seien inzwischen aber die meisten Manager auch bereit, ihre Büroflächen für eine Kostenreduzierung zu verkleinern, heißt es im „Culture Code“. In Russland zeigt sich, dass neben einem dominanten Führungsstil gleichzeitig enge, freundschaftliche Bande unter Kollegen existieren, die sich sogar in gemeinsam persönlich eingerichteten Bereichen innerhalb eines Büros zeigen. Auch in Marokko sei es üblich, den eigenen Arbeitsplatz nach den persönlichen Vorlieben umzugestalten, berichtet die Innenarchitektin und Steelcase-Forscherin Ilona Maier. Das Bekleben von Stühlen mit Namensschildern gehöre unter anderem auch dazu. Ein weiteres gemeinsames Merkmal dieser Länder ist die hohe Akzeptanz dichter Arbeitsumgebungen. Die Steelcase-Experten gehen davon aus, dass die Bereitschaft zur Umgestaltung von Arbeitsräumen vorhanden ist und es nur wenige Regeln bei der Zusammenarbeit gibt. Das ermöglicht es Unternehmen, mit unterschiedlichen Maßnahmen zur Optimierung des Arbeitsraumes zu experimentieren.

Zusammenfassung: Schlüsselfaktoren Arbeitsplatzdichte und Mobilität

Die Experten von Steelcase fanden heraus, dass zwei Faktoren darüber entscheiden, wie die Umgestaltung von Arbeitsräumen in Unternehmen ein Erfolg wird: Entscheidend ist erstens die Toleranz der Angestellten gegenüber dicht belegten Arbeitsräumen und zweitens ihre Bereitschaft an unterschiedlichen Orten zu arbeiten. Bestehende Raumkonzepte können von Unternehmen demnach nicht eins zu eins in verschiedene Kulturen übertragen werden. Vielmehr gilt es genau zu untersuchen, welche Aspekte übernommen und welche angepasst werden müssen.

Die detaillierten Ergebnisse und einen ausführlichen Ländervergleich finden Sie im Steelcase-Magazin 360° „Der Culture Code. Landes- und Arbeitskulturen und ihr Einfluss auf das Arbeiten in einer vernetzten Welt“.

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