Ohne Zweifel ist Englisch heute die Lingua franca des weltweiten Geschäftslebens – im Transportwesen wie im Tourismus, im Finanzsektor wie in der akademischen Welt, in der Luft- und Raumfahrt ebenso wie in der privaten Kommunikation. Nach Überzeugung der meisten Experten überwiegt allerdings die Zahl internationaler Kontakte, in denen alle Beteiligten Englisch als Fremdsprache (Lingua franca) nutzen. Also: Deutsche sprechen Englisch mit Japanern, Norweger mit Russen, Spanier mit Arabern und so weiter. Das International English, so nennen es die Experten, stellt einen zur Regel gewordenen Sonderfall dar, denn Englisch scheint heute eine Sprache ohne ‚kulturelle Erdung’ zu sein, eine Sprache, die niemandem mehr ‚gehört’.
Englisch verbirgt oft die kulturelle Prägung
Deswegen ist bisweilen zu hören, man könne sich weltweit schon irgendwie verständigen, wenn „alle erst einmal Englisch“ sprächen. Dies ist nicht so. Denn selbst wenn alle Englisch sprechen, gründen wichtige Regeln – was sagen wir wie, wann oder ob überhaupt – in der jeweiligen Kultur der Gesprächspartner. Mehr noch: Die allseits genutzte Fremdsprache Englisch kann die jeweilige kulturelle Prägung sogar verbergen, mitsamt ihren oft unvereinbaren Höflichkeitskonventionen, Diskursstrategien und nichtsprachlichen Signalen. Kein Wunder also, wenn Irritationen und Missverständnisse in internationalen Begegnungen an der Tagesordnung sind – und dies nicht obwohl, sondern weil viele Englisch – nämlich im Stil ihrer Muttersprache! – verwenden.
Beispiele erlebter Praxis
Im ICE instruierte kürzlich ein höflicher Schaffner eine asiatische Reisende auf Englisch: „You must get out here.“ Gut gemeint, aber nahe am Eklat, denn dies war ein rüder Befehl und alles andere als ein höfliches „Sie müssen hier aussteigen / umsteigen“. Das deutsche ‚müssen’ ist nun einmal nicht das Gleiche wie ’must’ im Englischen.
Während wichtiger Verhandlungen widersprechen Sie der Äußerung eines nicht-deutschen Geschäftspartners und wählen den Satz, den das Lehrbuch eines deutschen Verlags Ihnen vorschlägt: “I don’t agree“ oder gar: ”I couldn’t agree less“. Gleich ob für englische Muttersprachler oder andere: Für viele signalisiert ein solcher Satz das Ende Ihrer (Geschäfts-)Beziehung.
Beispiele dieser Art gibt es viele. Worauf es also ankommt, ist dreierlei:
1) Bewusstsein, dass die Art, wie ich kommuniziere, entscheidend sein kann für eine erfolgreiche (Geschäfts-) Beziehung, weshalb VORBEREITETSEIN entscheidend ist. 2) Offenheit dafür, dass mein Verständnis von HÖFLICHKEIT nicht überall gilt, sondern im Gegenteil, dass manches, was mir als höflich erscheinen mag, für andere völlig unakzeptabel sein kann. 3) Fähigkeit, Englisch als LINGUA FRANCA so zu nutzen, dass interkulturelle Missverständnisse und Irritationen möglichst vermieden werden.
Wenn Sie also im internationalen Geschäft erfolgreich sein möchten, sollten Sie sich erstens ein WISSEN über andere Kulturen aneignen. Sie benötigen zweitens OFFENHEIT für andere Arten und Weisen, die Welt zu sehen, und für entsprechend ungewohnte Verhaltensweisen. Drittens – und vor allen Dingen – sollten Sie Englisch auf eine Weise verwenden KÖNNEN, die Sie zum erfolgreichen Aufbau persönlicher und geschäftlicher Beziehungen befähigt.
Autor: Dr. Rudi Camerer
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