Deutsch-russische Geschäftsanbahnung

Bei der ersten Anbahnung von Geschäftsbeziehungen in Russland kann schon die Kontaktaufnahme mit eventuellen Geschäftspartnern die erste große Hürde darstellen. Während in Deutschland Kontakte am besten schriftlich statt telefonisch erfolgen, bevorzugt man in Russland eine persönliche Kontaktaufnahme. Die bloße Schriftform wird als zu unpersönlich und zu sachlich empfunden. Von einer persönlichen Begegnung versprechen sich Russen die beste Einschätzung des Gesprächspartners. Einzig aus diesem Grund bleiben Faxe und E-Mails häufig einfach unbeantwortet.

Gehen Deutsche von den Gegebenheiten ihrer eigenen Kultur aus, ist das erste Vorurteil schon geschaffen: Wie kann man Geschäfte mit Russen machen, wenn sie auf Kooperationsvorschläge nicht einmal reagieren? Und auf der russischen Seite entsteht gleichzeitig der Eindruck: Die Deutschen haben kein richtiges Interesse an der Sache, wenn sie bloß einen unpersönlichen Brief schicken.

Erste Begrüßung

Ist diese Hürde genommen und ein erstes Meeting steht an, sollte man auf eine angemessene Begrüßung achten. Der Handschlag ist in Russland genauso üblich wie in Deutschland. Allerdings wird diese Form der Begrüßung hier nicht so zelebriert wie in Deutschland. Russischen Frauen wird zum Beispiel generell nicht die Hand gegeben. Man beschränkt sich bei ihnen auf eine verbale Begrüßung und/oder ein Kopfnicken. Allerdings hat sich diese Regel in Geschäftskreisen bereits etwas gelockert. Um auf Nummer sicher zu gehen, warten Sie einfach ab. Wenn die Dame selbst keine Initiative ergreift, lassen sie es einfach bleiben. Die meisten Russinnen empfinden das Händedrücken als unangenehm.

Verhandlungen informell führen

Um Erfolge in Verhandlungen mit Russen zu erzielen, sollte man zuerst die russische Logik nachvollziehen. Dazu ein kurzes Beispiel: Wird ein deutscher Unternehmer in einer russischen Stadt vom Flughafen abgeholt, geht er höchstwahrscheinlich davon aus, dass es direkt zu den Verhandlungen geht. Seine Überraschung wird groß sein, wenn das Auto ohne Ankündigung plötzlich in ein Wäldchen am Stadtrand abbiegt. Die russischen Geschäftspartner haben ein üppiges Picknick vorbereitet. Bevor es überhaupt zur Sache geht, werden Trinksprüche auf die deutsch-russische Freundschaft ausgesprochen.

Besonderheiten der russischen Mentalität

Russland wird von Kommunikationswissenschaftlern als ein Land mit High-Context-Kultur definiert: Enge geschäftliche Verbindungen werden hier erst aufgebaut, nachdem der gesamte Kontext des Geschäftes bekannt ist. Die wichtigste Aufgabe dabei ist, den Sozialstatus des Partners, seine Möglichkeiten, Beziehungen, Motivationen sowie die Ernsthaftigkeit seines Vorhabens zu durchleuchten. Und dafür ist keine Zeit der Welt zu schade.

Selbst der obligatorische Wodka kann dabei eine wichtige Rolle spielen: Der ausländische Geschäftspartner soll sich in einer informellen Atmosphäre entspannen. Denn ein russisches Sprichwort lautet: „Was der Nüchterne denkt, sagt der Betrunkene“. Und obwohl man mit solchen Ritualen eher in der russischen Provinz zu rechnen hat als in großen Metropolen, bleibt das Grundprinzip erhalten: Erst muss die persönliche Ebene stimmig sein. Dann können Verträge geschlossen werden.

„Was sollen Vorträge und Präsentationen? Er hätte mich als Menschen kennenlernen sollen!“. Die Enttäuschung russischer Geschäftsleute über die nüchterne Sachlichkeit der deutschen Geschäftspartner ist sehr schnell sehr groß…

Fließende Kommunikation

Während Deutsche nicht verstehen können, was eine Festtafel inmitten einer wichtigen Verhandlung zu suchen hat, hadern die russischen Verhandlungspartner damit, wie die Deutschen so offen und ohne Anlauf ihre Vorschläge darlegen können. Sie vermuten, dass sich dahinter nur eine tückische Verhandlungsstrategie verstecken kann und kapseln sich sicherheitshalber ab.

In laufenden Verhandlungen und Projekten sollten sich Deutsche auch darüber bewusst sein, dass Informationen häufig in mündlicher Form zur Verfügung gestellt werden – informell, unsystematisch und häufig einfach nebenbei. Deutsche, die eine deutliche, direkte und explizite Kommunikation bevorzugen, müssen daher stets aufmerksam sein und Gesagtes eigenständig zu einem Gesamtbild zusammenfügen.

Für Verhandlungen und Kooperationen mit Russen sollten Sie sich daher immer viel Zeit nehmen. Priorität hat stets die gute zwischenmenschliche Beziehung, so dass Informationen frei fließen können. Dazu dienen zahlreiche Einladungen und informelle Zusammenkünfte, bei denen die Geschäfte Schritt für Schritt voranschreiten.

Beobachten und lernen

Ein deutscher Unternehmer, der davon ausgeht, dass seine kulturellen Standards, Werte und Gewohnheiten auch in Russland den gängigen Normen entsprechen, ist nicht unbedingt zum Scheitern verurteilt. Doch Missverständnisse und Enttäuschungen werden ihm und seinen russischen Geschäftspartnern nicht erspart bleiben. Wer jedoch immer wieder bereit ist, für die russische Mentalität und Kultur offen und sensibel zu sein, wird mit Sicherheit Erfolge erzielen. Wie lautet eine goldene Regel der interkulturellen Kommunikation? „Hör nie auf zu beobachten und zu lernen!“

Dr. Daria Boll-Palievskaya
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