Mit Schweden verhandeln

Wenn Deutsche verhandeln, ist es durchaus möglich, dass der Verhandlungspartner sagt: „Der Vorschlag ist unmöglich. Dem kann ich unter keinen Umständen zustimmen!“

Von Schweden sind solche Sätze kaum zu erwarten. Ein Schwede denkt vielleicht dasselbe und sagt: „Ja, gar nicht so dumm. Da kann man ja mal drüber nachdenken.“ Das ist das schwedische „NEIN“.

Deutsche können das schwedische „Nein“ nicht hören, sie interpretieren es wahrscheinlich sogar als grundsätzliche Zustimmung, freuen sich, dass die Verhandlung so gut und reibungslos läuft und wundern sich im Nachhinein, warum die Schweden nicht wie erwartet konstruktiv einen Abschluss anstreben.

Dieses kleine Beispiel zeigt, dass Deutsche und Schweden mit unterschiedlichen inneren Haltungen in eine Verhandlung oder in ein Gespräch gehen. Egal, ob es eine Verhandlung ist, in der es um Millionen geht, handelt, oder ob es sich um alltägliche Absprachen und Entscheidungen handelt: Deutsche und Schweden haben aufgrund ihres unterschiedlichen Welt- und Menschenbildes unterschiedliche Herangehensweisen, die leicht zu Missverständnissen führen können.

Die deutsche „Verhandlungs-Umwelt“

Aufgrund der Gegebenheiten auf dem deutschen Markt arbeiten Deutsche in der Regel unter einem hohen Zeit-, Leistungs- und Konkurrenzdruck. Konkurriert wird auf allen Ebenen, nicht nur innerhalb einer Branche zwischen Unternehmen, sondern auch in Unternehmen zwischen einzelnen Abteilungen und sogar in einzelnen Abteilungen zwischen Kollegen. Um zu einem möglichst positiven Ergebnis für die eigene Seite zu kommen, bereiten sich Deutsche vor einer Verhandlung oder einem Gespräch daher in der Regel bis ins kleinste Detail vor. Zusätzlich zur Gestaltung des formellen äußeren Rahmens, wie Kleidung, repräsentative Räumlichkeiten, schriftliches Material und Statussymboles, gehen sie davon aus, dass die Gegenseite sich ebenso vorbereitet hat und das Maximale aus der Verhandlung herausholen will. Daher steigen Deutsche in aller Regel mit Maximalforderungen in die Verhandlung ein, um noch Verhandlungsspielraum zu haben.

Die schwedische „Verhandlungs-Umwelt“

Auch Schweden sind ziel- und erfolgsorientiert. In Schweden kommt jedoch eine weitere Maxime hinzu. Schweden möchten Konsens erreichen. Ganz gleich, ob Schweden mit Kollegen oder Externen verhandeln, man sieht das Gegenüber nicht als „gegnerische Seite“, sondern als Partner, mit dem man gemeinsam eine Lösung sucht. Man geht davon aus, dass man sich einvernehmlich und freundschaftlich einigen wird.

Auch Schweden bereiten sich gut vor, spielen Szenarien durch und kalkulieren einen gewissen Verhandlungsspielraum ein. Aber gut ist gut genug: Es muss nicht 120% sein. „Lagom är bäst“, wie die Schweden so schön sagen.

Das heißt, Schweden steigen nicht mit Maximalforderungen, sondern meist mit einem recht realistischen Angebot und einem eher geringeren Verhandlungsspielraum in die Gespräche ein und sind offen, Aspekte und Wünsche des Verhandlungspartners in die Überlegungen und Absprachen mit einzubeziehen. Bei alltäglichen internen Besprechungen kann man davon ausgehen, dass vorab keine Entscheidung gefallen ist, sondern diese in der Besprechung vorbereitet werden soll.

Die unterschiedlichen Erwartungen und Haltungen zu Verhandlung und Verhandlungspartnern führen oft auf beiden Seiten zu Irritationen.

Die deutsche Wahrnehmung der Schweden in der Verhandlung

Deutschen fällt oft als erstes auf, dass die schwedische Seite nicht (gut) vorbereitet zu sein scheint, weil schriftliches Material, Zahlen, Daten, Fakten und Präsentationen (zumindest nicht sichtbar) auf dem Tisch liegen. Außerdem können das schwedische Understatement und die dadurch fehlenden Statussymbole bei Deutschen Zweifel aufkommen lassen, ob sie es überhaupt mit dem richtigen Verhandlungspartner zu tun haben. Es kann durchaus vorkommen, dass auf schwedischen Visitenkarten kein Titel und nicht einmal die Position im Unternehmen vermerkt ist. Aus deutscher Sicht ist es daher unklar, ob das Gegenüber überhaupt Entscheidungen treffen darf. Ein aus deutscher Sicht manchmal unkonventioneller Kleidungsstil kann zusätzlich verunsichern.

Eine deutsche Delegation, die zu einer zwar eigentlich unternehmensinternen, aber sehr wichtigen Verhandlung, in der es um Millionen-Beträge ging, nach Schweden gereist war, schilderte, dass der verantwortliche Vorstand in T-Shirt und Jogginghose erschien und nur ein leeres Blatt Papier und einen Bleistift mit in die Besprechung brachte. Das mag auch in Schweden nicht Standard sein, hat diese Gruppe von Deutschen aber doch nachhaltig beeindruckt.

Verunsicherung auf deutscher Seite kann auch durch plötzliches Schweigen und Stille auf schwedischer Seite ausgelöst werden. Die deutsche Kommunikation ist in der Regel sehr schnell und direkt, Rede und Gegenrede können sich durchaus überschneiden. Stille wird als unangenehm empfunden. Schweden empfinden Stille durchaus als angenehm, lassen zwischen Rede und Gegenrede gern eine kleine Pause, jemanden nicht ausreden zu lassen, ist grob unhöflich. Es zeugt von Respekt und gegenseitiger Achtung, wenn man das Gesagte des Gesprächspartners kurz nachklingen lässt, bevor man antwortet. Auch hier sind gegenseitige Irritationen schon fast vorprogrammiert.

Ein Extremfall hierfür wurde mir von einem deutschen Unternehmen geschildert, das in Schweden eine wichtige Übereinkunft auszuhandeln hatte. An sich war die Verhandlung schon so gut wie abgeschlossen, als im Raum auf einmal Stille entstand, offensichtlich über einen etwas längeren Zeitraum, sodass die Deutschen nervös wurden. Irgendwas schien (aus deutscher Sicht) nicht zu stimmen – und sie haben bei bereits abgesprochenen Übereinkünften Nachbesserungen eingeräumt, nur um den Vertrag nicht platzen zu lassen. Von schwedischer Seite wurde berichtet, dass sie angenehm überrascht waren und alle Zugeständnisse gern akzeptiert haben. Da ging es um hohe Beträge.


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Die schwedische Wahrnehmung der Deutschen in der Verhandlung

Es liegt auf der Hand, dass auch der schwedische Blick auf Verhandlungen mit Deutschen Irritationen auslösen kann. Schweden empfinden die deutsche Formalität und konzentrierte Ergebnisorientierung als hinderlich, eine gute, entspannte und partnerschaftliche Stimmung aufzubauen, die aber aus schwedischer Sicht für eine Konsensfindung und für einen Kompromiss notwendig ist.

Titel und weitere Statussymbole nehmen Schweden eher mit einem inneren Kopfschütteln wahr und empfinden sie als peinlich. Da eine der schwedischen Grundthesen besagt, alle Menschen sind gleich (gut), verbietet es sich nach dem schwedischen Menschen- und Weltbild, sich selbst als wichtig darzustellen.
Hinzu kommt, dass die direkte deutsche Art, Dinge anzusprechen und zu kritisieren, aus schwedischer Sicht geradezu als unhöflich, manchmal sogar als aggressiv empfunden wird. Und wer hat es schon gern mit aggressiven Geschäftspartnern zu tun? Und was Schweden oft nachhaltig irritiert, ist das deutsche Bemühen, alle Eventualitäten im Detail vorab zu besprechen und alles schriftlich und vertraglich zu regeln. Man ist doch Vertrags-PARTNER! Und da sollte man sich gegenseitig VERTRAUEN.

Vielleicht hierzu ein kleines Beispiel. Ein deutsches Start-up-Unternehmen sollte von einem etablierten schwedischen Unternehmen übernommen werden. Darüber wurden über ein Jahr lang Möglichkeiten erörtert und Verhandlungen geführt. Die jungen deutschen Leute waren zu einer abschließenden Besprechung des mittlerweile gut 100-seitigen Vertrags in Stockholm und die letzten Details wurden feingeschliffen. Am Ende der Besprechung erklärten die Schweden, sie würden die letzten Änderungen in den Vertrag einarbeiten und ihn dann zur Unterschrift nach Deutschland schicken. Einige Tage später kam der Vertrag – und war auf zwölf Seiten gekürzt. Die Deutschen verstanden die Welt nicht mehr und die Schweden meinten, das Wesentliche sei doch enthalten!

Was ist ein Vertrag?

Was ist ein Vertrag? Die Antwort scheint ein Selbstgänger zu sein – ist es aber nicht. In Deutschland schließt man einen Vertrag für den Fall, dass man sich irgendwann nicht mehr verträgt. In Schweden schließt man einen Vertrag als Ausgangspunkt für eine gute Zusammenarbeit. Diese unterschiedlichen Haltungen erklären, warum Deutsche und Schweden oft erst hinterher uneinig werden. Für Deutsche ist ein Vertrag „Gesetz“. So wie es im Vertrag steht, wird es umgesetzt. Daher müssen aus deutscher Sicht VOR Vertragsunterzeichnung alle Einzelheiten geklärt werden. Für Schweden ist ein Vertrag der Ausgangspunkt für eine gute und erfolgreiche Zusammenarbeit. Im Zweifelsfall wird er so umgesetzt, wie die mündliche Absprache GEMEINT war, man wird im NACHHINEIN schon eine einvernehmliche Lösung finden.

Auch aus diesem Grund sind Missverständnisse nahezu vorprogrammiert. Schweden empfinden Deutsche als formell, umständlich und stur, weil sie am schriftlichen Vertrag absolut festhalten. Deutsche empfinden Schweden als umständlich und unzuverlässig, zum einen, weil sie aufgrund der indirekten schwedischen Kommunikationsweise manche Signale gar nicht wahrgenommen haben und zum anderen, weil vertraglich geregelte Übereinkünfte im Nachhinein – und immer wieder – infrage gestellt und aufgerollt werden. Das kostet Nerven auf beiden Seiten!

Wie erreicht man also gute Ergebnisse?

Deutsche und Schweden sind im internationalen Vergleich volkswirtschaftlich und unternehmerisch außerordentlich erfolgreich. Die unterschiedlichen Verhandlungsweisen funktionieren innerhalb der jeweiligen Kultur, da beide Verhandlungspartner nach denselben „Spielregeln“ spielen. Sowohl Deutsche als auch Schweden sind ziel- und erfolgsorientiert und eine Verhandlung wird an ihrem Ergebnis gemessen. Aber der Weg zum Ergebnis ist in Deutschland und Schweden unterschiedlich, weshalb es zu Missverständnissen kommen kann, die auch das gesamte Ergebnis in Frage stellen können. Eine gute, tiefgehende und ganzheitliche interkulturelle Vorbereitung hilft, die andere Seite zu verstehen, Fettnäpfchen zu vermeiden und optimale Verhandlungsergebnisse zu erzielen. Und natürlich ist es außerordentlich hilfreich, juristischen Beistand zu haben, der auch beide juristischen Systeme kennt!

Autorin: Uta Schulz


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