Kulturelle Unterschiede Russland

Starten wir mit einem russischen Zitat, das genau auf den Punkt bringt, worauf es für erfolgreiche Geschäfte in Russland ankommt: „Die Qualität unserer geschäftlichen Beziehung ist so gut wie meine persönliche Beziehung zu dir.“

Als Masterkey für den russischen Markt gilt die persönliche, die Beziehungsebene. Erst wenn sich Ihr russischer Geschäftspartner sicher sein kann, dass Sie mit ihm keine „kurze Affäre“, sondern eine langwährende Geschäftsbeziehung anstreben, wird er Ihnen sein Vertrauen schenken und für seinen neuen Freund alles oder zumindest vieles tun. Dieses und die folgenden Themen sind nur Auszüge der Inhalte, die Entsandte in unseren interkulturellen Trainings vermittelt bekommen.

Gegenseitiges Kennenlernen

Deshalb nehmen sich Russen immer viel Zeit, um neue Geschäftspartner kennenzulernen. Fallen Sie also nicht gleich mit der Tür ins Haus und beginnen etwa schon bei der Ankunft am Flughafen damit, über das Geschäft zu reden oder die Agenda für das spätere Meeting zu besprechen. Buchen Sie auch nicht den Flieger zurück nach Hause für denselben Abend. Geschäftstermine in Russland dauern immer mehrere Tage.

Verabschieden Sie sich von der Erwartung, möglichst viel in möglichst wenig Zeit zu schaffen, und lassen Sie sich stattdessen auf ein intensives gegenseitiges Kennenlernen ein. In Russland heißt es nicht umsonst: „Zwei Menschen, nicht zwei Unternehmen machen Geschäfte.“

Begrüßung und Vorstellung

Daher nimmt man sich bereits bei der Begrüßung und Vorstellung genau unter die Lupe. Russische Geschäftspartner begrüßen sich mit einem Handschlag, wobei der Jüngere dem Älteren vorgestellt wird oder sich diesem selbst vorstellt. Ein jüngerer Mann sollte einem wesentlich älteren nicht gleich die Hand entgegenstrecken, sondern abwarten, bis dieser sich ihm zuwendet. Gleichermaßen gilt, dass Sie als Mann einer Frau nicht einfach die Hand entgegenstrecken, sondern ebenfalls erst abwarten, ob diese Ihnen die Hand gibt oder es bei einem freundlichen Kopfnicken belässt.

Stellen Sie sich mit Ihrem vollständigen Namen vor und beachten Sie, dass Ihre russischen Partner Vorname, Vatersname und Familienname plus männlicher oder weiblicher Endung nennen werden.

In Russland spricht man sich beim ersten Kennenlernen mit Vor- und Vatersnamen an, wobei Russen mit internationaler Business-Erfahrung manchmal auch Vor- und Familiennamen nutzen. Man geht dann jedoch schnell zu Vornamen über, was aber noch nicht mit einer vertraulichen Nähe gleichzusetzen ist.

Nennen Sie bei der Vorstellung außerdem Ihre genaue Position im Unternehmen. Hierarchien sind in Russland von großer Bedeutung, daher sollten Sie bei der Nennung eines entsprechenden beruflichen Titels eher hochgreifen, damit sich Ihnen später die richtigen Türen öffnen.

Visitenkarten mit Titel

Eine Positionsbezeichnung, die Ihre Stellung im Unternehmen plus Entscheidungsbefugnisse widerspiegelt, sollte auch Teil Ihrer Visitenkarte sein. Akademische Titel werden jedoch nicht aufgeführt.

Möchten Sie Ihre Visitenkarten insgesamt nach russischem Geschmack gestalten, sollten Sie auf Schlichtheit verzichten und dafür einige optische Elemente einfügen, wie etwa ein Foto, eine Flagge oder ähnliches. Zweisprachige Visitenkarten, also mit einer auf Russisch verfassten Seite, werden sehr geschätzt.

Kleidung dient Statusorientierung

Neben einer aussagekräftigen Visitenkarte ist auch ein gepflegtes äußeres Erscheinungsbild von Bedeutung. Herren wie Damen sollten auf ein hochwertiges Business-Outfit, einen guten Haarschnitt, einen angenehmen Duft sowie manikürte Hände achten. Auch auf hochwertige Accessoires, wie Uhren oder Taschen, wird der aufmerksame Blick der russischen Gastgeber fallen. Statussymbole werden in Russland mit Stolz getragen und demonstrieren Erfolg sowie die Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Schicht.

Small Talk mit Tiefgang

Nach der Begrüßung erfolgt meist ausgiebiger Small Talk, um sich gegenseitig besser kennenzulernen. Reden Sie nicht nur über das Wetter und die Anreise. Ein persönliches Gespräch über die üblichen Smalltalk-Themen hinaus ist unbedingt gewünscht. Dass Sie dabei ehrliches Interesse an Ihrem Gegenüber zeigen, ist ebenso wichtig wie Lob oder Komplimente auszusprechen. Heben Sie die Schönheiten des Landes, der Stadt hervor, gratulieren Sie zum tollen Büro oder den netten Mitarbeitern. Mit Herzlichkeit und Wärme können Sie in Russland immer punkten.

Stellen Sie zudem offene Fragen, nutzen Sie sich bietende Gelegenheiten, wie Fotos auf dem Schreibtisch, um sich nach der Familie Ihres russischen Geschäftspartners zu erkundigen. Erzählen Sie aber auch viel über sich selbst. Sie müssen dabei nicht zu persönlich werden. Aber wenn Sie sich öffnen, wird dies in Russland als positives Signal wahrgenommen.

Lächelgrenze beachten

Was das Ganze zu Anfang vielleicht ein wenig schwierig macht, ist die sogenannte „Lächelgrenze“ in Russland. Viele Russen zeigen sich beim ersten Kennenlernen sehr reserviert. Hinter dieser Zurückhaltung wird eine latente Angst vermutet, die sich aus den Zeiten des Stalinismus speist: Ob Freund oder Feind will genau eruiert sein.

Wenn Sie in der gegenseitigen Kennenlernphase beinahe verzweifelt darauf hoffen, dass sich die russische Seele endlich mit jener herzlichen, überschwänglichen Gastfreundschaft zeigt, von der Sie schon so viel gehört haben, dann denken Sie an den folgenden Satz zurück, der die anfängliche Reserviertheit am besten erklärt: „So lange du ein Fremder bist, habe ich keinen Grund zu dir freundlich zu sein.“ Dauerlächeln, um das Eis zu brechen, ist in Russland verpönt. Damit erwecken Sie schnell den Verdacht, etwas verbergen zu wollen. Ernsthaftigkeit signalisiert hingegen Verlässlichkeit.

Sie werden also begutachtet und beobachtet. Sie sollen in Vorleistung gehen. Dann wird die russische Seite entscheiden, ob Sie Substanz haben. Akzeptieren Sie dies und lassen sich davon nicht verunsichern. Öffnen Sie sich stattdessen, seien Sie Sie selbst, dann wird auch die Versteinerung Ihres russischen Geschäftspartners nach und nach abfallen und Sie bekommen die herzliche Seite zu sehen. Sie haben die sogenannte „Lächelgrenze“ überwunden.

Weiterer Gesprächsverlauf

Nun können Sie auch gerne den Anlass des Treffens und das weitere Vorgehen in den Mittelpunkt rücken. Sie müssen nicht warten, bis dies der russische Gastgeber übernimmt. Aber auch jetzt sollten Sie nicht zu voreilig sein und nach der konkreten Zusammenarbeit fragen oder gar die Vorlage eines Vertrags aus der Tasche ziehen. „Sehen wir mal, wie es sich entwickelt“, könnte ein Satz sein, den Sie öfters zu hören bekommen.

Bei der weiteren Gesprächsführung sollten Sie sich offen und motiviert zeigen, und alles vermeiden, was die Harmonie potenziell stören könnte. Was gar nicht geht, ist arrogantes Auftreten. Russischen Partnern das Gefühl zu geben, überlegen zu sein oder Ihnen erst die Welt erklären zu müssen, kommt verständlicherweise überhaupt nicht gut an.

Rahmenprogramm von essentieller Bedeutung

Die Vermischung von Privatem und Geschäftlichem ist in Russland sehr stark ausgeprägt. So gestalten Russen neben offiziellen, geschäftlichen Gesprächen gerne ein Rahmenprogramm – beispielsweise einen Saunabesuch, ein gemeinsames Essen, der Besuch einer Bowling-Bahn oder einer Karaoke-Bar. Vielleicht werden Sie auch nach Hause eingeladen. Nehmen Sie diese Einladung auf jeden Fall an. Es ist eine große Ehre.

Man kommt sich durch diese gemeinsamen Treffen auf der persönlichen Ebene näher. Sind Sie mit Ihrem russischen Geschäftspartner erst einmal in der Sauna gewesen und haben Gespräche über das Leben geführt, wird er Ihnen gegenüber nicht mehr strategisch und kalkuliert vorgehen, sondern mit offenen Karten spielen. Aber Vorsicht: Ein Saunabesuch alleine ist noch kein Garant für ein gelungenes Geschäft.

Auf Entscheidungen warten

Ihre neuen russischen Geschäftspartner werden vielleicht einige Zeit brauchen, ehe Sie Ihnen eine Entscheidung hinsichtlich Ihres Geschäftsvorhabens mitteilen werden. Nachfassen ist zwar erlaubt, aber planen Sie lieber mehr Zeit für weitere Treffen und Gespräche ein, um einen Deal unter Dach und Fach zu bringen.

Autorin: Katrin Koll Prakoonwit – Bevor sie sich als Journalistin selbständig machte, schrieb Katrin Koll Prakoonwit Länderanalysen für die FAZ. Heute arbeitet sie für Publikationen verschiedener Beratungsunternehmen und Verlage.FrauKoll Prakoonwit lebt in Reading, Berkshire, bei London.

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